02.11.2014 bis 16.11.2014
Was haben wir im voraus nicht schon alles über Bolivien gehört. Atemberaubende und einsame Landschaften, Höhenrekorde, Tiefsttemperaturen, Tortur für Mensch und Material, Schwierigkeiten mit der Versorgung von Benzin, tückische Sandpisten, Abenteuer pur und, einmal mehr, …korrupte Beamte.
Bolivien empfing uns mit einem weit geöffneten Schlagbaum und keinen Beamten der uns eingewiesen hätte. So passierten wir guten Mutes die Landesgrenze und parkierten unsere Motorräder etwa 5 Meter hinter dem Schlagbaum. Wir starteten das übliche Einreiseprozedere; Karin erledigte die Einreise an der Immigration und Markus versuchte währenddessen die Schaulustigen von den Motorrädern fernzuhalten. Nachdem die Stempel in den Pässen waren und die 90-tägige Aufenthaltsdauer bestätigt war, kamen die Motorräder an die Reihe. Der Beamte an der Immigration war sehr freundlich, aber der Kollege vom Zoll hatte wohl einen schlechten Tag erwischt. Er bezichtigte uns der illegalen Einreise nach Bolivien, denn unsere Motorräder standen ja fünf Meter hinter der Schranke. Er erklärte uns, dass wir zur Bank müssten und dort eine Busse bezahlen sollen. Nur war dummerweise gerade ein nationaler Feiertag und die Bank war geschlossen. Ausnahmsweise würde er heute auch ein Trinkgeld entgegen nehmen.
Bis zu diesem Zeitpunkt wurden wir in allen ach so korrupten und gefährlichen Ländern, noch nie nach Geld gefragt. Auch nach langem hin und her und vielen Diskussionen gab es diesmal kein Entkommen. Der nette Zöllner änderte seine Meinung nicht. Wir schluckten die Kröte und beschenkten den Herrn mit einem kleinen Trinkgeld von umgerechnet fünf US-Dollar. Und somit hatten wir alle nötigen Unterlagen und Stempel in der Hand und der Einreise stand nichts mehr im Wege. Unser Ziel, ohne Bestechung zu reisen, konnten wir zu unserem Ärger nicht einhalten.
Unser erstes Ziel war Copacabana, welches in einer malerischen Bucht am Titicaca-See liegt. In einem lauschigen Hotel oberhalb der Stadt und mit Blick auf den höchstgelegenen Binnensee der Welt, liessen wir uns zwei Tage nieder. Wir genossen die Ruhe, das feine Essen und den Komfort einer heissen Dusche. Man merkte dass der Besitzer aus Deutschland kam.
La Paz, die Millionenmetropole mit dem höchstgelegenen Regierungssitz der Welt war unser nächstes Ziel. Im höhergelegenen Stadtteil El Alto kämpften wir erstmals mit den bolivianischen Verkehrsmassen. Es herrschte Chaos, Autos standen im wilden Durcheinander auf Kreuzungen, es ging nur sehr langsam und mit viel Hartnäckigkeit und Nachdruck vorwärts, und auch ein paar Anrempler mussten wir verkraften. Die Abgase und die heissen Temperaturen machten es uns nicht einfacher. Als wir jedoch einen ersten Blick auf La Paz werfen konnten, waren wir überwältigt. Die Stadt ist umgeben von hohen Bergen und die sandfarbenen Häuser schmiegen sich förmlich an die gleichfarbigen Berghänge.
Im Hotel Oberland, einem bekannten Treffpunkt für Overlander unter Schweizer Fahne, trafen wir wieder viele alte Gesichter. Natürlich gab es auch hier ein Wiedersehen mit unseren treuen Dauergefährten Simone und Michi (www.off-we-go.ch). Wir blieben ein paar Tage in La Paz und kümmerten uns um Versicherungen, pflegten die Motorräder und bereiteten uns auf die kommenden anstrengenden Kilometer durch die Wildnis Boliviens vor. Erstmals auf dieser Reise rüsteten wir uns mit Kanistern aus um zusätzliches Benzin transportieren zu können. So konnten wir die Reichweite unserer Motorräder auf etwa 650 Kilometer erhöhen.
Gut vorbereitet und ausgerüstet wartete einer der Höhepunkte Südamerikas auf uns. Der Salar de Uyuni, der grösste Salzsee der Welt. Er liegt auf einer Höhe von 3’650 M.ü.M. und umfasst eine Fläche von 10’582 Quadratkilometer (also rund einem viertel der Fläche der Schweiz). Jährlich werden hier etwa 25’000 Tonnen Salz abgebaut und der See beherbergt die weltweit grössten Vorkommen von Lithium. Solange die Regenzeit noch nicht eingesetzt hat, ist der See trocken und es ist möglich, die harte Salzkruste zu befahren.
Der Einstieg zum See ist ein paar Kilometer ausserhalb des Dorfes und der hat es bereits in sich. Hier ist die Salzschicht meistens sehr dünn und das Wasser drückt von unten durch. Wir mussten also erst einmal einen trockenen Weg suchen, denn das Salzwasser wäre Gift für das Motorrad. Und so kam es wie es kommen musste. Markus fuhr voraus und sank prompt ein paar Zentimeter ein. Das hohe Gewicht des Motorrads rächte sich nun, denn bei jedem Anfahrversuch grub sich die Ténéré immer weiter ins Salz ein. Nur mit vereinter Muskelkraft gelang es, die Maschine zu befreien. Naja, nun war das Motorrad eben grau-weiss meliert…
Nach diesem Kraftakt bahnten wir uns unseren Weg durch die befahrbaren Bereiche und waren ein paar Meter weiter auf der trockenen Fläche angelangt. Es war ein seltsames Gefühl. Der Salzsee sah aus wie eine riesige Schneefläche und wir waren jederzeit aufs Ausrutschen gefasst. Doch es passierte nichts. Das Salz war hart und trocken und so griffig wie eine asphaltierte Strasse. Daran mussten wir uns erstmal gewöhnen.
Auf der Insel Incahuasi waren wir mit Simone und Michi sowie Erica und Sam (www.songoftheroad.com) verabredet. Bis dahin waren es 80 Kilometer immer geradeaus. Nach unzähligen Fotostopps und überwältigt von diesem Naturspektakel erreichten wir die von Touristen überfüllte Insel. Auf den kakteenbewachsenen Felsen der Insel hatten wir eine wunderbare Weitsicht über die Landschaft. Von hier aus zeigte sich der Salzsee in seiner schönsten Form. Weiss soweit das Auge reichte, in der Ferne waren weitere kleine Inseln zu erkennen und im Hintergrund zeigten sich bizarre Bergformationen und erloschene Vulkane. Der Sonnenuntergang machte das Bild nochmals spektakulärer. Wir hätten noch Stunden und Tage zuschauen können. Als es dunkel war verzogen sich auch die letzten Touristen und der Salar schien nur noch uns zu gehören.
Am nächsten Tag fuhren wir weiter zur Isla Pescado. Natürlich nahmen wir für die Strecke einige Kilometer Umweg in kauf, denn wir wollten ja den Salzsee weiter erkunden. Aufgrund der riesigen weissen Fläche bot sich ein ausgiebiges Fotoshooting an. Das Experimentieren mit unterschiedlichen Perspektiven bereitete uns unglaublichen Spass.
Auf der Isla Pescado bestaunten wir einen weiteren, unvergesslichen Sonnenuntergang und verbrachten eine windige Nacht.
Zweifellos gehören die Erlebnisse auf dem Salar de Uyuni zu den absoluten Highlights unserer bisherigen Reise! Die endlos scheinende Weite, die Farben sowie die Atmosphäre dieser einzigartigen Landschaft haben sich tief in unser Gedächtnis eingegraben.
Am nächsten Tag fuhren wir dann zurück nach Uyuni. Hier bereiteten wir uns auf die letzten Kilometer in Bolivien vor und füllten die Reservebenzinkanister und die Essens- und Wasservorräte auf. Wir begaben uns auf die sogenannte Lagunen-Route. Diese führt ganz im Südwesten Boliviens entlang der Chilenischen Grenze durch den Nationalpark „Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa“.
Zusammen mit Simone und Michi wagten wir uns auf diese abgelegene und unwirtliche Strecke über die hohen Anden. Wir waren froh um die beiden und um ihren Land Rover, denn sie übernahmen den Transport der Esswaren und des Wassers und wir konnten sogar einen Teil unserer Gepäckstücke im Auto verstauen. So waren wir doch um einige Kilo leichter was uns auf den sandigen Pisten entgegenkam.
Von Uyuni fuhren wir über San Cristóbal nach Alota. Bis hierhin war die Strasse noch (mehr oder weniger) asphaltiert. Kurz nach Alota nahmen wir den Abzweiger nach Süden und somit auf die östliche Strecke der Lagunen-Route. Der Asphalt endete und die Strasse wich einer Piste mit zahlreichen sandigen Abschnitten. Von 3’816 Metern über Meer gewannen wir langsam an Höhe.
Mitten in der Wüste befindet sich ein Tal mit bizarren Steinformationen, das Valle de las Rocas (Tal der Felsen). Hier war erstmal Mittagspause angesagt bevor wir dann frisch gestärkt in die grossen Höhen aufbrechen wollten.
Die Ortschaft Villa Mar (warum auch immer diese Ortschaft so heisst, denn vom Meer ist hier keine Spur zu sehen…) ist der letzte kleine Ort auf dieser Strecke. Von nun an waren wir abgeschieden im Nirgendwo. Die Piste wurde mit jedem Kilometer anstrengender und sandiger, wir gewannen ständig an Höhe und das Atmen wurde immer mühsamer. Doch die Landschaft wurde immer spektakulärer und geizte nicht mit neuen Ausblicken. Gegen Abend und am Ende unserer Kräfte angelangt erreichten wir ein ein riesiges Gebäude ganz in der Nähe der Laguna Capina. Es ist der Wohnbau, welcher zu einer Borax-Mine gehört. Hier durften wir unser Nachtlager im Windschutz des Gebäudes aufbauen und sogar den Aufenthaltsraum und die Toiletten der Arbeiter benutzen. Die Männer leben teils wochenlang von ihren Familien getrennt in den Baracken.
Die Sonne verschwand und von einem Augenblick auf den nächsten, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, wurde es eisig kalt. Beinahe jedes Kleidungsstück wurde angezogen. Dick eingepackt assen wir zu Abend aber schon bald war die Kälte nicht mehr auszuhalten und wir verabschiedeten uns in die wohlig warmen Schlafsäcke.
Am nächsten Morgen teilten uns die Arbeiter mit, dass es eine kühle Nacht war. Die Temperaturen erreichten Minus 10 Grad! Wir waren froh um unsere dicken Schlafsäcke und um die in Ecuador erstandene Wolldecke aus Alpacawolle. Nach einem Frühstück an der wärmenden Sonne packten wir unsere sieben Sachen und nahmen die nächste Etappe der Route unter die Räder.
Die Laguna Colorada ist ein relativ kleiner See und trägt seinen Namen aufgrund der roten Färbung. Der hohe Mineralstoffgehalt des Wassers und eine seltene Algenart sind für die Farbgebung verantwortlich. Wir machten einen Fotostop und bewundern den seltsamen Anblick. Und wir entdecken auch die zahlreichen Flamingos die sich von den Algen ernähren.
Abends übernachten wir in einer Schlucht,um uns vor dem böigen Wind zu schützen. Bereits um 19:00 verkrochen wir uns in die Betten und bewegten uns erst wieder aus dem Schlafsack, als am nächsten Morgen die Sonne unser Zelt erwärmte.
Rund 70 Kilometer vor der Landesgrenze befindet sich das Zollgebäude auf einer Höhe von 5’033 Meter über Meer. Es war der höchste Punkt, welchen wir auf unserer Reise mit den Motorrädern erreichten. Hier mussten wir die Formalitäten für die Fahrzeugausfuhr vornehmen. Dieses Prozedere darf auf keinen Fall verpasst werden, denn wenn man an der Landesgrenze steht und die Fahrzeuge noch nicht ausgeführt hat, heisst es nochmals zurück…
Nach dem das ganze ohne Probleme über die Bühne ging, fuhren wir in dieser einmaligen Landschaft weiter nach Süden. Vorbei an den Geysiren „Sol de Mañana“ zur Laguna Chalviri. Hier befindet sich ein Thermalbecken. Touristen machen hier auf ihrer Tour durch den Nationalpark halt und gönnen sich ein Bad auf 4’500 M.ü.M. Wir schauten dem Treiben zu und waren einmal mehr froh, nicht einer organisierten Tour anzugehören.
Bald erreichten wir die „Desierto de Salvador Dalí“, eine Sandwüste welche nach dem berühmten spanischen Künstler benannt wurde. Dutzende Felsen liegen hier weit verteilt im Wüstensand. Fasziniert von den verschiedenen Farbtönen der Steine und den umliegenden Bergen rätselten wir, wie diese hierher gelangt sein konnten.
Einige Kilometer später befanden wir uns an der Laguna Blanca. Hier machten wir ein letztes Mal in Bolivien halt. In der Nähe der Laguna befinden sich Ruinen, welche uns einen guten windgeschützten Unterschlupf für die Nacht bieten. Auf einer kleinen Erkundungsrunde zu Fuss fanden wir auf einem zerfallenen Gebäude die Aufschrift „Suiza SAC“. Im Schutz der ehemaligen Alpinistenunterkunft verbrachten wir die letzte Nacht in Bolivien, erneut mit Rekordtemperaturen im Minusbereich.
Anderntags erreichten wir bald die südliche Grenze Boliviens. Nachdem die Motorräder das Ausfuhrprozedere ja bereits hinter sich hatten, mussten wir noch unsere Pässe abstempeln lassen. In der Ferne sahen wir bereits einen schwarzen Streifen in der Landschaft. Das muss die asphaltierte Strasse sein, welche von Chile nach Argentinien führt!
Die letzten Kilometer in Bolivien boten noch einmal einen unvergleichlichen Ausblick, forderten aber auch ihren Tribut an Schweiss und Anstrengung. In unserem Rücken die weisse Laguna Blanca, gleich daneben die Laguna Verde. Vor uns der imposante, 5’950 Meter hohe Vulkan Lincancabur. Und immer wieder kreuzten Vicuñas und Lamas unseren Weg. Es schien als wollten sie uns eine gute Weiterreise wünschen. Und dann erreichten wir den erlösenden Asphalt….
Bolivien war für uns eines der Highlights in Südamerika und dies vor allem aufgrund der einmalig schönen Landschaften. Die Erlebnisse auf dem Salar de Uyuni und die anstrengende aber wunderschöne Fahrt über die Lagunen-Route werden wir nicht vergessen.
Bolivien – unsere Eindrücke in Kurzform:
- 1’353 gefahrene Kilometer in 14 Tagen
- Salar de Uyuni – einmalige Sonnenuntergänge auf dem grössten Salzsee
- Lagunen-Route – bizarre und spektakuläre Fahrt nach Süden
- Eisige Temperaturen auf 4’500 M.ü.M.
- Grandiose Landschaften